Heute steht eine 21 km lange Tageswanderung auf meinem Programm. Los ging es direkt am Hotel (dem Best Western Ambassador Bosten) in Eupen... und dann immer an der Hill entlang. Die Hill ist ein Bach, der nahe Botrangeentspringt, was mit 694,24 über dem Meeresspiegel die höchste Erhöhung Belgiens ist. Und genau in diese Richtung führt mich auch die heutige Wanderung... stetig bergauf. Nicht ohne Grund spricht man bei dieser Etappe des GR 573 auch vom "längsten Anstieg Belgiens". *schluck
Anfangs ist der Weg noch recht unspektakuär, was sich aber ändert, sobald ich die letzten Häuser Eupens hinter mir lasse und die Hill überquere. Asphaltierte Straßen werden zu kleinen Pfaden. Die Natur übernimmt die Führung und ich klettere über Wurzeln, wandere über Stock und Stein und freue mich an dem stetigen Plätschern der Hill. Wunderschön ist es hier... und das ist nur der Anfang.
Im Laufe des Tages bleibt mir noch einige Male der Mund vor Staunen offen stehen. Das der Weg extrem abwechslungsreich ist, damit hätte ich nicht gerechnet. Man kann fast sagen, dass einen nach jeder zweiten Biegung wieder etwas anderes erwartet. Kleine Pfade werden kurz von breiten Waldwegen abgelöst, bis man wieder ins Unterholz abbiegt. Der Track geht steil bergan, nur um dann wieder abwärts zu führen. An die Stelle, an der die Soorin die Hill mündet und wo man das einzige Gestein vulkanischen Ursprungs in Ostbelgien findet.
Gemütlich wandere ich im Tal entlang, klettere über ein paar größere Steine und genieße den schattigen Streckenabschnitt. Es ist doch ganz schön heiß heute. Aber lange bleibt es nicht so ruhig. Nachdem ich auf einem breiten Waldweg aus dem Tal heraus gekommen bin, gibt es einen sehr steilen Anstieg, der extra mit einem Seil gesichert ist. Besser ist das, nach rechts geht es nämlich ganz schön tief runter. Habe ich tatsächlich schon wieder so viele Höhenmeter erklommen? Wahnsinn - und einfach toll.
Ganz außer Atem erreiche ich eine asphaltierte Straße, wende mich nach rechts und freue mich, dass mein Puls Zeit hat, etwas ruhiger zu werden. Und dann ist es soweit... plötzlich stehe ich am Rand des Hohen Venn. Wie aus dem Nichts liegt es vor mir und von Wald und Steigungen ist erstmal nichts zu sehen. Vielmehr ist die sanft hüglige Landschaft mit Sumpfgräsern bedeckt und nur vereinzelt steht mal hier und da ein Baum. Aber die Hill weißt mir hier auch den Weg und fließt gemütlich neben dem Pfad entlang. Gut so, denn die rot-weiße Wandermarkierung muss ich das eine oder andere mal suchen. Und auch der Weg ist häufig nicht richtig zu erkennen.
Wenn ihr jetzt glaub, die Wanderung durchs Hohe Venn wäre problemlos zu bewältigen, dann irrt ihr euch. Das Sumpfgebiet hat seine Tücken und ich suche mir meinen Weg von Grasbüschel zu Grasbüschel. Ja klar, es gibt auch vereinzelte Holzstege, aber die sind auch nur bedingt hilfreich. Irgendwie sind sie immer an der falschen Stelle und einige sind ganz schön kaputt. Ich balanciere also voran... und schaffe es doch, mit meinen knöchelhohen und wasserfesten Wanderschuhen so tief ins Moor einzusinken, dass ich nasse Füße bekommen. Menno!
Aber es macht richtig Spaß, sich seinen eigenen (möglichst trockenen) Weg zu suchen. Dann ändert sich die Landschaft wieder. Es wird waldiger, aber nicht weniger feucht. Jetzt hopse ich halt zwischen den Bäumen von Grasbüschel zu Grasbüschel... und merke auch schon, wie es in meinen Knien anfängt zu knarren. Obwohl ich damit eigentlich keine Probleme habe, geht diese Tour doch ganz schön auf die Gelenke. Und natürlich auch auf die Kondition... ich bin kaputt.
Als ich das Moorgebiet verlasse, öffnet sich auf einmal das Gelände und ich haben einen wunderschönen, weiten Blick über das Hohe Venn. Und der macht Lust auf mehr. Die größten Teile des Naturschutzgebietes sind nämlich für "normale" Wanderer nicht zugänglich. Um hierhin zu kommen, muss man sich einer geführten Wandergruppe anschließen, was ich auf jeden Fall mal machen werden. Die Vegetation hier ist wirklich einmalig und ich möchte mehr davon sehen.
Ein letztes Mal drehe ich mich nochmal um und genieße die tolle Aussicht. Leider und zum Glück nähert sich meine Tour dem Ende. Leider, weil ich gerne noch mehr von dieser abwechslungsreichen und beeindruckenden Natur hätte und zum Glück, weil ich einfach kaputt bin und mir die Knochen weh tun. Die letzen 3 km folge ich einem schnurgeraden Weg, bis ich die Rue de Brotange überquere und das Naturparkcenter erreiche. Hier werde ich von Albert abgeholt... die knapp 2 km bis nach Surbrot und zum Domaine des Hautes Fagnes, wo wir heute übernachten, schaffe ich einfach nicht mehr..
Das Hotel ist mit einem Spa-Bereich ausgestattet, den ich aber nicht besucht habe. Selbst dazu war ich nach der 6,5 stündigen Wanderung (am Ende hatte ich dann auch 25,8 Kilometer auf dem GPS-Tracker) zu kaputt. Ich bin einfach 20 Minuten unter der warmen Dusche stehen geblieben und mich danach mit Albert zum Essen gegeben. Die Hotelrestaurant „Aux Saveurs des Fanges" ist toll und hat uns total überrascht. So etwas Edles hatten wir in diesem Hotel mit seinem 70er Jahre Charme nicht erwartet. Wir lassen uns verwöhnen und fallen später zufrieden und satt ins Bett. Was für ein toller Tag!