Wer glaubt, wir haben mit der Bergwanderung aufs Hörnle und dem Schokoladenkurs für diesen Samstag schon alles Erlebte hinter uns, der täuscht. Am Abend sind wir noch zu Gast beim Passionstheater in Oberammergau. ...
Das Passionstheater, von außen wie innen sich gebärend wie eine Festung. Immer wieder umgebaut und technisch verbessert, erhielt 1930 diese Bühne ihre heutige Form. Die aktuell bespielbaren rund 4.800 Sitzplätze wurden schon 1900 überdacht. Über der Bühne blitzt die Landschaft herein. Tauben finden während der Vorstellung gurrend ihren Sitzplatz im Holzgebälk über unseren Köpfen. "Ruh-Ruh-Guruh-Ruh". Na super. Und bis das Abend Highlight um 20 Uhr steigt, machen wir uns schon mal mit dem Passionstheater vertraut.
Tja! Wer geglaubt hätte, wir hätten mit einer Bergwanderung auf dem Hörnleplateau mit seinen Gipfeln und dem tollen Schokoladenkurs in Kohlgrub schon genug Erlebnisse für heute, der täuscht sich. Wir sind hungrig auf Kultur, sind am Abend noch zu Gast beim Passionstheater in Oberammergau. Hier wird "Die Pest" aufgeführt. Wie zwei Groupies, die noch Karten für Ed Sheeran ergattert haben, wedeln wir unser Stück Papier auf dem Vorplatz des Passionstheaters. So ein Aperol Spritz muntert eben auf.
Das Schauspiel degegen eher düster. "Das Stück", so verkündet unser Programmheft, "erzählt die Geschichte des Oberammergauer Tagelöhners Kaspar Schisler, der sich den Sommer 1632 über – mitten in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges bei einem Bauern in Eschenlohe als Knecht verdingte und am Kirchweihfest 1633, von Sehnsucht nach Frau und Kindern getrieben, über den Berg an den Pestwachen vorbei nach Oberammergau kam. In Eschenlohe wütete, wie in vielen Teilen Bayerns, der "Schwarze Tod", die Pest. Oberammergau wurde durch fleißiges Wachehalten von der Ansteckung bewahrt. Doch Kaspar Schisler brachte an jenem Kirchweihabend die Krankheit ins Dorf und den Tod über 84 Menschen. In großer Not gelobten die Oberammergauer alle zehn Jahre das Passionsspiel aufzuführen, damit Gott der Pest ein Ende bereite. Der Überlieferung nach ist nach dem Gelöbnis niemand mehr in Oberammergau an der Pest gestorben."
Halbwegs schwere Kost, das über zwei Stunden währende Spektakel. Christian Stückl hat wie in den vergangenen Spielzeiten schon auch diesmal wieder inszeniert. Seit 1933 wird im Vorfeld der Passionsspiele das "Pestspiel" aufgeführt. Überhaupt die gute Tradition: Zur Gewohnheit längst auch verkommen der Moment, in dem ein Regisseur in seiner Bühnenansprache zur Premiere das Abstellen von digitalen Endgeräten erbittet. Dann endlich darf die Geschichte zur Entstehung der Passionsspiele beginnen. Live ist live: Nach 20 Minuten bimmelt ein Handy rund um Reihe 19. Etwa das Gerät des lockenköpfigen Großmeisters selbst? Das Ding will einfach nicht aus seinem Janker plumpsen! Hastig eilt Stückl zum Ausgang, während der Schisler Kasper vorn auf der Bühne um sein Leben bangen muss. So ist eben unser längst lieb gewonnenes Oberammergau. Immer schön bodenständig, selbst wenn die Pest droht.