Heute steht eine längere Etappe an – deutlich mehr Höhenmeter, deutlich weniger Spaziergang. Wir sind fast den ganzen Tag auf einem Zubringer zum Goldsteig unterwegs.
Der Goldsteig ist ein 660 Kilometer langer Qualitätswanderweg, der sich einmal quer durch den Bayerischen Wald zieht. Unser Zubringer aus Viechtach führt uns immer bergan. Ziel ist der Gipfel des Pröller, immerhin 1.048 Meter hoch. Von Viechtach aus sind das über 600 Höhenmeter. Ob wir Berliner Ladies das schaffen? Wir sind gespannt.
Der Tag beginnt stilecht: Der Hahn kräht an der Kapelle im Feriendorf zum Abschied. Nach einem kurzen Orientierungstest im Gewerbegebiet (aka wir biegen einmal falsch ab) und einem Gruß an den Storch auf dem Feld, tauchen wir in den Wald ein. Der Weg zieht sich über Wurzeln und Gestein, mal schmal, mal breiter – aber nie langweilig. Genau mein Ding. Öde Forstautobahnen? Heute Fehlanzeige.
Zwischendurch öffnen sich immer wieder Lichtungen. Wir passieren Bauernhöfe mit bunt blühenden Bauerngärten, aus dem Stall zwinkern uns die Kühe zu. Erste Pause gibt’s in Kollnburg, einem kleinen Ort mit Ausblick: Über dem Dorf thront der Kirchturm und direkt daneben die alte Burg, die wir uns am Sonntag beim Burgfest noch genauer anschauen wollen.
Nach einer Limo geht’s zurück in den Wald. Der Weg bleibt abwechslungsreich – links und rechts große, bemooste Steine, die aussehen, als wären sie einst von Menschenhand zu Mauern gestapelt worden. Wer hier wohl früher sein Revier markiert hat?
Und immer wieder Lichtungen, Blumenwiesen, Schmetterlinge, die uns auf dem Weg begleiten. Dann eine Bank, ein Blick ins Tal, eine belegte Brezel, die perfekte Kombi für eine kurze Rast vor dem Endspurt.
Der finale Anstieg zum Pröller hat’s nochmal richtig in sich. Steil, wurzelig, schweißtreibend. Ich fluche leise vor mich hin, aber die Aussicht lockt. Kurz vor dem Gipfel stehen wir plötzlich an einer Schneise. Der Blick fällt weit ins Land, daaaa hinten irgendwo liegt Viechtach. Verrückt, dass wir das heute alles zu Fuß gemacht haben.
Für die letzten Höhenmeter mobilisieren wir nochmal unsere letzten Kräfte. Oben am Gipfel heißt es erst mal: Luft holen, ins Gipfelbuch eintragen (gehört sich so!) und dann haben wir richtig Glück. Waren wir den ganz Tag fast alleine unterwegs, kommt genau in diesem Augenblick ein bayrisch-nordrheinwestfälisches Pärchen oben an. Zeit für ein Gipfelfoto – mit Aussicht und Glückwünschen:
„Gar nicht schlecht für Flachland-Tiroler!“
Ab hier sind wir endlich auf dem „echten“ Goldsteig unterwegs. Der Abstieg nach St. Englmar ist vergleichsweise gemütlich, auf einem breiten Kiesweg, fast schon einer Wanderautobahn. Aber dafür sorgen kleine Schilder mit Sinnsprüchen an Bäumen und Steinen für Unterhaltung.
In St. Englmar gönnen wir uns zum Schluss noch ein Stück Himbeertorte auf der Terrasse. Danach geht’s mit dem Bus zurück nach Viechtach, dank unserer Guti-Gästekarte ist der schon inklusive.
Abends gibt es aber noch ein unerwartetes Highlight für uns. Adventure Camp Schnitzmühle klingt erstmal sportlich-rustikal. Über dem Eingang hängen alte Rennräder, auf der Terrasse bekommen wir einen Platz mit Blick ins Grüne. Noch ahnen wir nicht, was uns gleich erwartet. Auf dem Weg zum Klo entdecke ich in einer Nische mehrere Diskokugeln. Hip, hipper, Viechtach?
Auch wenn die Küche eigentlich für ihr Thai-Food bekannt ist, bleiben wir bodenständig bei Steak – Thai gibt’s in Berlin schließlich an jeder Ecke. Und was soll man sagen? Es war die richtige Entscheidung.. Ein Cocktail später zieht uns die Musik rüber zum Zeltplatz. Und dann kippt die Szenerie vollends: in einem silbernen Foodtruck wird Pizza gebacken, auf der kleinen Bühne daneben legen die Sufi Dub Brothers los – Electro-Beats treffen auf Sitar-Klänge. Sind wir noch im Bayerischen Wald? Oder doch auf dem Fusion-Festival oder in Kreuzberg?
Ich erkenne einen der Musiker wieder, den hab ich vor Jahren schon mal in einer anderen Band gesehen. Jetzt dröhnt der Bass durch die Bäume, Nebelschwaden wabern über den Platz, das Publikum füllt die improvisierte Tanzfläche. Wir wiegen uns im Takt zur Sitar. Die Stimmung: magisch.
Am Ende tanzen wir alle. Barfuß, leicht benebelt vor Glück.
Was für ein Abend. Was für ein Ort. Wer hätte das gedacht – mitten im Bayrischen Wald.